Inszenierung als Selbstinszenierung

Selbstinszenierung, da war doch was!

Sehr schnell kommt man von diesem Begriff zu dem Begriff Selbstdarstellung! Diesen Begriff hast du sicher schon einmal gehört, dann vielleicht eher abwertend gemeint in einem Satz wie

„Boah, die stellt sich immer so selbst dar, die ist so arrogant“

oder

„Der Typ ist so ein nerviger Selbstdarsteller!“

Gemeinhin verstehen wir unter Selbstdarstellung in der deutschen Sprache, wenn Menschen sich viel und auffällig in den Vordergrund drängeln und damit anderen Leuten wortwörtlich „die Show stehlen“.

Wenn wir aber einmal nach der wortwörtlichen Bedeutung fragen, nämlich nach der Darstellung des Selbst, sind wir wieder im Gedankenfeld rund um das Ich, die Identität und die Inszenierung angekommen. Denn wir sprechen von Inszenierung nicht nur im Theater- und Filmbereich, sondern wie bereits oben erwähnt auch in der Philosophie oder Soziologie. Die These dieser Wissenschaften, die sich mit den Phänomenen des menschlichen Verhaltens und seiner Gesellschaften auseinandersetzen, lautet hier, dass wir Menschen uns selbst und unser Wirkung auf andere inszenieren: Wir haben zum Beispiel eine bestimmte Vorstellung von uns und möchten, dass diese Vorstellung übereinstimmt mit der Wahrnehmung der anderen Person, mit der wir interagieren. Dementsprechend verhalten wir uns auf der (Achtung, metaphorisches Sprechen) Bühne unseres Lebens gegenüber unseren Zuschauer*innen so oder eben so. Oder aber es ist das genaue Gegenteil: Wir haben eine bestimmte Vorstellung von uns und möchten, dass diese Vorstellung eben gerade nicht übereinstimmt mit der Wahrnehmung der anderen unserer Person. Dementsprechend verhalten wir uns auf der Bühne unseres Lebens gegenüber unseren Zuschauer*innen so oder eben so. Wir inszenieren uns also selbst!

Das kann wechseln, je nach Situation oder eben auch derjenigen Person oder demjenigen Personenkreis, mit der oder dem wir gerade interagieren. Und nun können wir Inszenierung in diesem Kontext also auch als „Institution menschlicher Selbstauslegung und Welterschließung“ verstehen und als bewussten Vorgang, um die Wahrnehmung unseres Ichs durch andere Menschen wieder auf uns zurückzuführen. Kurzum: Selbstinszenierung oder Selbstdarstellung sind Mittel und Methoden, unsere eigene Identität im Abgleich mit anderen aktiv zu gestalten.

Aufgabe 1: Baue in deinem Zimmer eine Bühne, indem du einen Schuhkarton oder Vergleichbares mit der geöffneten Seite an die Tischkante legst, sodass du hineinschauen kannst. Stelle ein Objekt deiner Wahl hinein und inszeniere es als König oder Königin auf dieser Bühne. Wo befindet sich dieses Objekt, damit es als König oder Königin für dich wirken kann? Ganz hinten, ganz vorne, in einer Ecke, mittig? Wenn du dich für eine Position entschieden hast, schreibe auf, warum du dich für diese entschieden hast, was diese Position zur Position für eine*n König*in macht. Nun verändere die Position des Objekts und beobachte, ob es immer noch ein König oder eine Königin ist oder seine Identität durch deine Inszenierung im Raum verändert.

(Quelle: cleanpng.com)

Aufgabe 2: Überlege schriftlich, warum wir in diesem Kurs über Fremdinszenierung und Selbstinszenierung sprechen und gehe im Kopf nochmal durch, was du bisher über dich selbst in diesem Kurs erfahren hast. Ist das Bild, das du dir von dir im Laufe der ersten Abschnitten und Lektionen gemacht hast, übereinstimmend mit dem Bild, das du anderen Menschen von dir gerne zeigst? Wenn ja, warum und wenn nein, warum nicht?