Wie reagiere ich, wenn ich eine antisemitische Anfeindung wahrnehme?


Das allerwichtigste sei zuerst gesagt: SCHAU NICHT WEG!

Antisemitische Übergriffe, Äußerungen und Hate Speech sind selbstverständlich am schlimmsten für die betroffenen Personen. Sie stellen aber zudem ein Bild zusammen, das durchscheinen lässt, wie viele Personen ihre Mitmenschen einkategoriesieren und als minder betrachten. Das ist mit jeder diskriminierenden Handlung eine Gefahr für unser demokratisches Zusammenleben und muss in jedem Fall interveniert werden!

Solltest Du eine antisemitische Anfeindung als Zeug*in wahrnehmen, die gar handgreiflich wird, ist es wichtig direkt einzugreifen! Achte dabei aber auf Deine eigene Sicherheit. Solltest Du körperlich unterlegen sein, sprich Passant*innen an, die gemeinsam mit Dir die Situation deeskalieren können.
Achte in jenen Situationen darauf, nicht lediglich auf die*den Täter*in loszugehen, sondern gehe auf die betroffene Person ein und bestärke sie.

„Bei antisemitischen Vorfällen gilt vor allen Dingen: Die Unterstützung und Stärkung der Betroffenen! Wenden Sie sich daher immer zunächst dem Wohlergehen der betroffenen Person zu, bevor Sie sich darauf konzentrieren, den Vorfall mit der ausübenden Person zu bearbeiten.“(1)

Öfter ist man Zeug*in einer verbalen Attacke, die in manchen Fällen nicht minder schlimm ist. Auch hier ist es wichtig, nicht wegzuhören, sondern sich aktiv in das Geschehen einzubringen.

Solltest Du selbst mal einmal antisemitisch angegriffen worden sein oder sollte es fataler Weise einmal dazu kommen, ist es wichtig, dass Du Dir bewusst machst, dass Du das nicht schlucken musst. Solltest Du das wollen, kannst Du dich natürlich direkt verbal an die jeweilige Person wenden und entsprechend harsch wiedersprechen. Du musst Dich aber nicht alleine wehren. Spreche bei Möglichkeit Menschen in der Umgebung darauf an, dass Dir gerade diskriminierend angegangen wirst.
Einen solchen Vorfall sollte man in jedem Fall melden! Allein um seine Erfahrung aus der Dunkelziffer von antisemitischen Vorfällen zu holen und um über den Vorfall mit jemandem reden zu können, die*der einem damit helfen kann. Welche Stellen es beispielsweise gibt, werde ich später noch einmal aufführen.

Das ist natürlich leicht von mir gesagt, mir ist aber auch bewusst, dass man nicht jeden diskriminierenden Vorfall meldet, weil die Situation möglichst schnell hinter sich lassen möchte und weil man teilweise auf so unterschiedlichen Arten, von sehr subtil bis hin zur Handgreiflichkeit, angegriffen wird, dass einem nicht jeder Vorfall meldenswert erscheint.

Auch hier gibt es wieder kein allgemeingültiges Rezept, wie man am besten mit etwas zu recht kommt oder wie man mit einzelnen Situationen umzugehen hat. Ich würde in jedem Fall immer empfehlen, den Vorfall zu notieren (so detailliert wie möglich: Was waren die genauen Wort? Was trug die Person? Standen Leute drum herum? etc.) und zumindest einer Meldestelle weiterzugeben. Man muss die Beratung dort nicht wahrnehmen. Außerdem sollte man mit vertrauten Menschen darüber reden, da eine solche Situation einen ja trotzdem beschäftigt und ein Gespräch bestärkend und/ oder aufmunternd sein kann.
Wie Du persönlich mit einer solchen Situation aber umgehst, ist ganz und gar deine eigene Entscheidung.

Wenn Du eine Situation als Außenstehende*r wahrnimmst, kannst du die jeweilige Situation auch detailliert für eine Meldestelle notieren, nachdem du dich für die betroffene Person eingesetzt hast. Wichtig ist zu wissen und das Gefühl auch weiterzugeben: „Alle Menschen sind gleich. Und sieht das jemand bei Dir nicht, bin ich für Dich da.“ Viel zu oft nimmt man nur die Anfeindungen wahr und bekommt so ein pessimistisches Bild der Gesellschaft. Dass viel mehr Menschen für eine demokratische Gleichstellung aller Menschen sind und sich für diese auch einsetzen würden, bemerkt man viel weniger.

Quellen

  1. Kiana Ghaffarizad (2017): „Läuft noch nicht? Gönn dir: 7 Punkte für eine Jugendarbeit gegen Antisemitismus!“. In: Amadeu Antonio Stiftung: „Läuft bei dir!“.
    https://www.lks-bayern.de/fileadmin/user_upload/user_upload/laeuft-noch-nicht_goenn-dir_-7-punkte-gegen-antisemitismus.pdf