Antisemitisches Handeln und/oder antisemitisch sein?

Wenn jemand eine antisemitische Äußerung von sich gibt, ist den Menschen manchmal nicht bewusst, dass das Gesagte tatsächlich antisemitisch ist.

Wie auch bereits in meiner letzten Kurseinheit „Antisemitismus ist leider nicht (nur) Geschichte“ thematisiert, zeigen sich antisemitische Äußerungen heutzutage beispielsweise vermehrt in einer Kritik an der Regierung Israels, die diese nicht als selbstständige Politiker*innen mit einzelnen Entscheidungen sieht, sondern die Kritik auf den gesamten Staat und seine Bevölkerung verallgemeinert. In manchen Fällen werden diese Vorurteile gar (unterbewusst) auf alle jüdischen Personen projiziert, egal welcher Herkunft. Diese Denkschiene wird dann oft nicht als antisemitisch empfunden, da es eine scheinbare Verurteilung von einer Politik ist. Natürlich kann man die Regierung Israels kritisieren, das aber „Israel-Kritik“ zu nennen, zeigt einen Doppelstandard im Denken der jeweiligen Menschen. (Es gibt ja auch keine „USA-Kritik, sondern Trump-Kritik, keine „Türkei-Kritik“, sondern Erdogan-Kritik, …)

„Eine Erzählung oder Handlung muss sich noch nicht einmal direkt auf Jüd*innen beziehen, damit sie antisemitisch ist. Dies ist ein entscheidendes Charaktermerkmal von Antisemitismus, welches ihn auch grundlegend von anderen Diskriminierungsformen, wie zum Beispiel Rassismus, unterscheidet.“(1)

Im Vergleich zu rassistischen Äußerungen, sind antisemitische Vorurteile oft getarnt. Deswegen ist es wichtig, Antisemitismus und Rassismus nicht über einen Kamm zu scheren und andere Reflektionspunkte in den eigenen Denkweisen zu finden. Denn die Formen und Auswirkungen gehen weit auseinander.

Eindeutiger ist Antisemitismus auszumachen, wenn man eine Haltung ausmachen kann, die an einer „weltlenkende“ Verschwörungsfantasie festhält. (Woher genau das kommt und warum es antisemitisch ist, habe ich in meiner letzten Kurseinheit detaillierter beschrieben.)

Wenn sich eine Person in eine dieser Richtungen äußert und mit sich reden lässt, lohnt es sich die Menschen über diese Verallgemeinerungen aufzuklären. Der BDS, also der Boykott des Israelischen Staates auf allen Ebenen ist zum Beispiel ebenso antisemitisch. Trotzdem sind sehr viele reflektierte Menschen auf diesen Zug aufgesprungen, ohne sich der antisemitischen Auswirkungen bewusst zu sein. Sprecht die Menschen darauf an!

Einige Menschen haben sich noch nicht mit Antisemitismus nach der NS-Zeit auseinandergesetzt und wollen sich wie bei dem Beispiel mit dem BDS FÜR Leute einsetzen ohne die Nebenwirkungen wahrzunehmen, die jüdische Personen abermals als ein Kollektiv versteht und somit GEGEN eine Gleichberechtigung aller Menschen in unserer Gesellschaft arbeiten. Diese antisemitischen Handlungen heißen nicht, dass jene Leute Antisemiten in dem Sinne sind, dass sie offene Vorurteile gegen jüdische Personen haben.

Jede*r Antisemit*in macht antisemitische Äußerungen, aber nicht jede antisemitische Äußerung kommt von eine*r Antisemit*in.
Ihr erkennt wohl den wiederkehrende roten Faden, auf den ich auch eigentlich hinaus möchte: Geht in den Diskurs! Sprecht und diskutiert über kritische Aussagen. Vielleicht ist das Gegenüber dankbar dafür da sie*er bisher noch nicht darüber nachgedacht hatte. Vielleicht wird die Aussage auch verteidigt und die Person ist ein keinem tatsächlichen Austausch interessiert. In jedem Fall hast DU etwaigen betroffenen Umstehenden das Gefühl gegeben, nicht allein zu sein. Außerdem hast Du deinen Teil dazu beigetragen, sich für eine demokratische Gleichbehandlung einzusetzen und die Gesellschaft ein weiteres kleines Stückchen in Richtung Gleichberechtigung gebracht.

Quellen:

  1. Kiana Ghaffarizad (2017): „Läuft noch nicht? Gönn dir: 7 Punkte für eine Jugendarbeit gegen Antisemitismus!“. In: Amadeu Antonio Stiftung: „Läuft bei dir!“.
    https://www.lks-bayern.de/fileadmin/user_upload/user_upload/laeuft-noch-nicht_goenn-dir_-7-punkte-gegen-antisemitismus.pdf